Ethische Kriterien für Investments


Vortrag Frank H. Wilhelmi spricht anlässlich des Business Angel Summit 2019

Thema: Ethische Kriterien für Investments

Strategie im Risiko lautet der Titel dieses Business Community Summits 2019

Mein Beitrag dazu: „Ethische Kriterien für Investments.“

Das war eigentlich nur ein Arbeitstitel: Gestern fiel mir dann „Wednesdays for Global Responsibility Investments“ ein. Das finde ich lebendiger und es passt in die Zeit der Fridays for Future. Heute soll es ja um zukünftige Investmentstrategien gehen.

Was hat das mit Ethik zu tun? Ich habe nur eine sehr begrenzte Zeit, ein sehr grundlegendes Thema zu transportieren. Deshalb habe ich eine eher plakative Form gewählt.

Ethik hört sich so nach Moral an, nach Idealismus, nach hohen Ansprüchen, mit denen sich kein Geld verdienen lässt. Brauchen wir das überhaupt? Ich möchte umgekehrt fragen: Ist es im Sinne einer Strategie im Risiko nicht unerlässlich oder sogar unverantwortlich, nicht in einem global abgestimmten Bezugsrahmen ethischer Kriterien zu investieren? Ich beginne mit 2 Zitaten:

In beiden Zitaten finden wir Hinweise für Strategien im Risiko.

Stephen Hawking war Kosmologe. Kosmologie ist die Wissenschaft vom Ganzen. Hawking hat in seinem bewegenden Leben die Frage umgetrieben: Wie kann ich das kleinste Teilchen des Universums zusammendenken mit dem großen Ganzen?

Ban-Ki Moons Bemühen als Generalsekretär der UN war geprägt von der Leidenschaft, den Völkern eine gemeinsam getragene Sicht auf die Weltgemeinschaft zu vermitteln, die sie mit Leidenschaft erfüllt, gemeinsam an einer besseren Zukunft zu arbeiten.

In Bezug auf das Thema wage ich die Hypothese: In dem Mangel eines abgestimmten Handelns auf globaler Ebene liegt eines der größten Risiken für unsere Zukunft.

Schauen wir uns dieses Bild an, dass die derzeitige Lage der Welt sehr gut sichtbar macht. Was hat das mit Ethik zu tun?

Nur aus dem Ganzen können wir das Zusammenwirken der Teile verstehen

Ich möchte hier keine Diskussion über Werte, Moral, Gut und Böse zu führen. Ich frage mich nur: Worauf achten wir, wenn wir investieren. Je breiter unsere Wahrnehmung ist, desto eher erkennen wir Risiken. Das ist nicht selbstverständlich, weil wir meist nur auf uns selbst schauen und unsere Lebensspanne und weniger an die weltweiten Indikatoren und die nächsten Generationen. Wir starten Investments und streben erfolgreiche Exits an, damit wir als Super-Angel-Investoren unsere Reputation stärken können und immer größere Deals angetragen bekommen. Dabei gerät die Frage nach dem übergeordneten Sinn oft aus dem Blickfeld. Und so deuten wir die Welt weiterhin im Pippi Langstrumpf Format – „wie sie uns gefällt.“ Das große Ganze wird nicht gesehen.

Welchen Sinn und welche Bedeutung haben meine Investments als Teil im Welt-Ganzen? Sind sie im tatsächlichen Sinne des Wortes not-wendig? Die Wirkungen können wir anhand der Geschäftsmodelle oft einigermaßen gut beurteilen. Welche Bedeutung oder welchen Sinn sie haben, ist schon schwieriger. Es hängt davon, was wir als erstrebenswert voraussetzen und da scheiden sich die Geister. Ich stehe ja nicht allein in der Welt. Ich bin hier gefragt, meine Werte und Ziele als Mensch mit der Gemeinschaft, in die ich hineinwirke abzugleichen.

Was wäre ein solches Ziel? Wie wäre es mit der Erhaltung der Lebensgrundlagen für künftige Generationen – unsere Kinder! Wenn wir als kleinsten Nenner voraussetzen, müssten wir bemüht sein, dort zu investieren, wo unsere Weltgemeinschaft – unser Planet in eine Schieflage gekommen ist. Risikobezogen könnte man sagen, je weniger wir über die Wirkungen unserer Investments im Ganzen nachdenken, desto risikoreicher werden sie. Damit wäre die Bedeutung der Ethik als Risikoindikator bestimmt. Persönlich hätte dann jede/r in diesem Kontext die Frage zu beantworten, wie sein/mein Verhalten in dem mir für einige Jahre anvertrauten Leben als Investor/in, Konsument/In, Mutter/Vater und Weltbürger/In, die Chancen künftiger Generationen befördert oder etwa ein zusätzliches Risiko darstellt.

Wir treffen hier auf die Frage nach unserem ganz persönlichen Bezugsrahmen bzw. unserer Wertorientierung für unser Handeln als Unternehmer, Investoren und Business Angels. Als Engel haben wir natürlich eine besondere Berufung Gutes zu tun…!

Schließlich sind wir hier zusammen, weil wir bereit sind Risiken einzugehen, weil wir darin Chancen für die Zukunft sehen. Wieso eigentlich? Jeder von uns hat doch eigentlich genug Geld und Wohlstand, um bestens leben zu können. Warum also Risiken eingehen? Warum lohnt es sich, etwas davon aufs Spiel zu setzen? Was ist mein Motiv tätig zu werden? Jede/r, der etwas tut, geht Risiken ein. Und wenn ich das tue, obwohl es mir doch bereits gut geht, dann ist doch die Frage – was ist mein Motiv? Ist es meine Spielernatur, Hybris oder Gutmenschentum?

Gesamtgesellschaftlich haben wir einen Lebensstandard wie nie zuvor erreicht. Aber es bleibt auch noch Vieles zu tun. Es gibt Ungleichheit und Armut und diejenigen, die auf der Verliererseite stehen fragen sich, wie sie Anschluss finden oder ob sie Opfer sind. Menschen fragen sich, ob sie den Entscheidungen von Politik und Wirtschaft im Hinblick auf die Gestaltung ihrer Zukunft vertrauen können, weil sie manche Maßnahmen nicht als zielführend oder die Ziele nicht als sinnvoll erachten. Spaltung und negative Stimmung prägen öffentliche Debatten und Twitter-Kommentare. Die Zivilgesellschaft verliert das Vertrauen in die verfassten Institutionen. Wenn wir diese Entwicklung nun unter der Kategorie „Strategie im Risiko“ ansehen, dann sind unsere Investments in Ermangelung eines kollektiv getragenen Bezugsrahmens (eines Bildes vom Ganzen) zunehmend mit Unsicherheit behaftet.

Wie können wir als Business Angels, Unternehmer und Investoren in unserer Investmentstrategie auf diese Herausforderungen reagieren? Was können wir dazu beitragen Lösungen für die Herausforderungen der Zukunft zu finden, Risiken zu begrenzen und die Chancen für zukünftige Generationen zu verbessern?

Das bisherige und das neue Geschäftsmodell

Bisher orientierte sich die Risikobetrachtung von Investments in erster Linie an dem sogenannten Magischen Dreieck.

Diese Risikobetrachtung hatte in erster Linie die investierenden Personen und deren Anlagestrategie im Blickfeld. Andere sogenannte negative externe Effekte blieben dabei tendenziell unterbelichtet. Die Gesamt-Kosten waren nicht angemessen in der Kalkulation der Preise berücksichtigt.

Ergebnis: Steigende Versicherungsprämien, Handelskriege und hohe Volatilität an den Finanzmärkten. Die sozialen Konsequenzen: Klimakatastrophen, Hunger, Krieg und Migrationsströme. Menschen fliehen aus ihren Kulturräumen, weil dort keine Lebensperspektive mehr haben. Deshalb muss sich unternehmerische Verantwortung – sprich unsere Investments – nun auf die Korrektur der Fehlsteuerungen konzentrieren, zumal wir sie mitzuverantworten haben. Dazu müssen wir kein lagen Debatten über Ethik führen – oder?!

Können wir uns vorstellen, neben unserem eigenen Nutzen, in Zukunft den Nutzen des Ganzen in den Blick zu nehmen? Können wir versuchen, unsere Investments als Teil eines weltweiten Genesungs- bzw. Heilungsprozesses zu sehen, der die Ursachen für den Mangel an gemeinsamen Werten adressiert und mehr Solidarität zwischen den Menschen bewirkt.

Zukunft – Geschäftsmodell mit „Pull-Effekt“

Was mir den sogenannten Risiko-Strategien auffällt ist, dass sie dominiert sind von einer Haltung der Schadens-Vermeidung oder Schadens-Minderung.

Darüber hinaus fehlt mir eine dynamische Komponente (attraktives Bild der Zukunft mit „Pull-Effekt“) – eine Vision einer erstrebenswerten Zukunft. Wie wollen wir als Menschheit leben und miteinander umgehen? „Zurück“ ist keine Option. Es darf nicht bei der Risikobetrachtungen und/oder Schuldzuweisungen bleiben. Wir tragen gemeinsam die Verantwortung für die entstandenen Ungleichgewichte – und dabei sollte sich jede/r fragen, wie er/sie sein/ihr Verhalten anpassen muss. Wir Angel/Angelinas sollten einen positiven Entwurf von Zukunft ins Gespräch und Erleben bringen.

Der größte gemeinsame Nenner – der Fortbestand des Lebens auf unserem Planeten

Worauf möchte ich hinaus? Gibt es für uns als Investoren/Innen bzw. Unternehmer/Innen eine Möglichkeit zeitnah den Blickwinkel für unser unternehmerisches Engagement neu auszurichten? Können wir gemeinsam überlegen, wie wir spürbar durch gezielte und abgestimmte Investments, zu einem tragenden Faktor einer stabileren und solidarischeren Welt werden können?

Können wir aus einer Risiko-Minimierungsdebatte eine Wirkungsoptimierungsdebatte im Hinblick auf die gemeinsam angestrebte Zukunft unserer Lebenswelt machen?

Der Zeitfaktor ist kritisch, denn je länger wir warten, umso geringer werden die künftigen Handlungsoptionen. Im Sinn der am Beginn verlesenen Zitate: Gelingt es unserer Generation, den Planeten zu retten und wenn ja, wie können wir sofort damit beginnen?

Einen Bezugsrahmen dafür gibt es bereits! Es ist schon fast in Vergessenheit geraten, aber im September 2015 ereignete sich eine kleine Sensation …

193 Nationen beschlossen 17 abgestimmte Sustainable Development Goals (SDGs), auf deren Erreichung sich die Unterzeichnerstaaten verpflichtet haben. Auch wenn die Agenda 2030 selbst nicht als rechtsverbindlicher völkerrechtlicher Vertrag einzustufen ist, so enthält sie doch zahlreiche Verweise auf das Völkerrecht und gibt in weiten Teilen bereits geltendes Recht wieder. Dieses sogenannte „Soft Law“ zielt auf Akzeptanz statt auf Zwang. Das ist ein nicht zu unterschätzender Vorteil im politischen Geschäft. Hohe Akzeptanz und Gruppendruck („Peer Pressure“) sind wichtige Motivatoren für Veränderung. Das „Soft Law“ respektiert wird, zeigt sich an der Einhaltung von Berichtspflichten und vergleichbaren Monitoring-Mechanismen, die transparent und allgemein zugänglich sind. Die SDGs liefern also einen interkulturellen, sinnstiftenden Bezugsrahmen für die Erreichung globaler Menschheitsziele zur Sicherung unserer Lebensgrundlagen. Insofern sind Investments in ihre Erreichung eine valide Strategie im Risiko.

Sie fragen sich, was will dieser Mensch von mir?!

Schlussfolgerung: Ich möchte uns dafür begeistern, die SDGs als Grundlage einer internationalen Investmentinitiative zu nehmen und uns (sowie die Bewerber) bei künftigen Investments zu fragen, inwiefern das Geschäftsmodell geeignet ist, uns in mindestens einer SDG-Kategorie dem Ziel näher zu bringen.

Zerstörtes wiederherstellen neue Lebensräume schaffen

Die Wissenschaft sollte Verfahren und Methoden zur Verfügung stellen, Wirkung, Fortschritt und Effizienz in der Erreichung der Ziele zu messen. Poltischen Parteien, Medien und Kommunikationsabteilungen der Unternehmen kommt die Aufgabe zu, darüber zu berichten, inwieweit wir uns der Zielerreichung in geeigneter Weise nähern. Parallel dazu sollten Investoren Themen bzw. SDG-Fonds zur Erreichung der Ziele in ihren Ländern bilden und die Kriterien dafür weiterentwickeln. Die SDGs sollten vermehrt Bestandteil des Berichtswesens und Grundlage der Environmental Social and Corporate Governance (ESG) werden. Bestehende noch nicht auf die SDGs bezogene Nomenklaturen sollten schrittweise in eine einheitliche Taxonomie überführt werden. Die Gremien sind dafür bereits vorhanden.

Call for Action: Stiftung Global Entrepreneurial Responsibility Award

Ein konkreter Beitrag aus diesem Kreis ist die Idee, dass wir als Business Angels einen Preis für Globale Unternehmerische Verantwortung (Global Entrepreneurial Responsibility Award) ausschreiben, in dem wir beispielhaft Indikatoren und Wirk-Kriterien festlegen, die die Bewerber mit ihren unternehmerischen Initiativen zur Erreichung eines oder mehrerer SDGs berücksichtigen und durch ihre Geschäftsmodelle in besonderer Weise dazu beitragen, diese zu erreichen.

Odem Investing wird für die Ausarbeitung der Kriterien sorgen, die Prämierung des ersten Preises stiften und die Besetzung einer geeigneten Jury sicherstellen. Wir könnten namhafte wissenschaftliche Unterstützung dabei von CRIC, FNG, dem Welt-Ethos-Institut in Anspruch nehmen. Wenn es gelingt, die Initiative breiter aufzustellen, können wir damit die Debatte für ein neues Verständnis von global verantwortetem/n Unternehmertum/Investments befeuern. Darüber hinaus ist die Initiative sicher geeignet, das Vertrauen breiter Bevölkerungsschichten in die zielgerichtete Zusammenarbeit von Wirtschaft, Politik und Zivilgesellschaft wiederherzustellen und auf diese Weise einer zunehmenden Spaltung und Radikalisierung unserer Gemeinschaft entgegenzuwirken.

Mottos: De-risking the planet!/Wednesdays for SDG Inspired Investments

Vielen Dank für ihre Aufmerksamkeit!

Frank H. Wilhelmi,

Bockenheimer Landstraße 2-4 | Opernturm, D- 60306 Frankfurt am Main

www.odem-investing.com