Neuer Odem für global verantwortetes Unternehmertum
Was ist ein Unternehmen?
Was ist ein Unternehmen?
Wir leben in einer Zeit, in der Wirtschaftsliberalismus und freie Märkte als Heilsweg einer Wohlstandsgesellschaft angesehen werden. Gleichzeitig wird jedoch auch sichtbar, dass ordnungs- und sozialpolitisch ungeregelter Privat- und Staatskapitalismus zu wachsender Ungleichheit, Flüchtlingsströmen, Kriegen und der Zerstörung unserer Lebensgrundlagen führt.
Der Unternehmensbegriff ist durch Sozialität geprägt, nicht durch „privates“ oder staatliches Machtstreben aus Kosten von Natur und Gesellschaft. Deshalb lohnt es sich seiner Entstehung auf die Spur zu gehen und seine Potentiale in das geeignete Licht zu stellen.
Der Begriff taucht zum ersten Mal im 1200 Jahrhundert in Frankreich auf und wird bezogen auf Kameradschaft (franz. companion (n.). Er beschreibt eine Person, die eine andere Person oder Gruppe begleitet oder sich mit ihr assoziiert. Im Lateinischen bezeichnet companio eine Brotgemeinschaft (panis=Brot, com=gemeinsam). Im Altenglischen beschreibt man um 1766 mit „companion“ einen Reisebegleiter oder eine Person, die Gemeinschaft haben möchte und in der der Nächste – auch wenn er in einem Dienstverhältnis steht und dafür eine Vergütung erhält – als Freund und gleichwertiges Mitglied der Gesellschaft betrachtet wird.
Später gründet man Gesellschaften (Companies, Societiés), um gemeinsame Entdeckungsreisen zu initiieren und Handel zu treiben. Daraus entsteht ein reger Austausch von Rohstoffen, Waren und Kulturgütern. Gleichzeitig entstehen aber auch Abhängigkeitsverhältnisse mit ausbeuterischer Dimension. Der Stärkere eignet sich notfalls mit kriegerischen Mittel das an, was ihm nützt. Zur Herleitung des Begriffs:
https://www.etymonline.com/search?q=company
Versuchen wir den Begriff zu fassen und zu sehen, ob wir seinen Bedeutungsinhalt so neu bestimmen können, dass sich daraus ein zukünftiges Bild ableiten lässt, dass ihm zu einer Form verhilft, der die Not der Gegenwart wenden kann und so ggf. unternehmerisches Handeln neu verstehbar wird. Versuchen wir dem Begriff neuen Odem einzuhauchen.
Neuer Odem für Unternehmen
Etwas unternehmen heißt, um eine Initiative zu werben, die der Behebung eines sozialen Bedarfs oder Mangels dient. Das Unternehmerische liegt darin, dass gegenüber dem Mangel oder Bedarf eine Perspektive eingenommen wird, in der der Unternehmer sich nicht auf das Tragen des Leids konzentriert. Er nimmt eine Position ein, in der er den Menschen als Träger einer Würde ansieht und die Schöpfung als ein Mittel, der Würde des Menschen zu dienen. Mangel, Leid und Not versteht er als unwürdig und als Zeichen, dass der Mensch in seiner Bestimmung die Schöpfung gut zu verwalten, versagt. Diese Not ist der Unternehmer/In berufen zu wenden. Kreativität und Inspiration sind dabei die Gaben, die er empfängt und einsetzt, um aus der Schöpfung die Elemente zu nehmen und aufeinander bezogen so einzusetzen, dass sie der Schöpfungsordnung dienen und eventuelle Fehlentscheidungen oder Missbrauch korrigieren. Die unternehmerische Persönlichkeit geht davon aus, dass Mangel oder Not kein zu ertragender, sondern ein zu behebender Zustand sind und dass uns die Vollmacht und die Gaben der Schöpfung dazu anvertraut sind, um sie abzuwenden. Da es sich um soziale und prozessuale Gestaltungsaufgaben handelt, ist dafür Empathie gefragt. Unternehmer/Innen versichern sich dafür der Unterstützung und des Diskurses der Gemeinschaft, in der sie investieren (intervenieren, produzieren und koordinieren), um Not zu wenden.
Die Not oder der Mangel können in einem sachlich physischen Bereich liegen, etwa in einer schlechten Behausung zu leben oder Hunger, Durst, Krankheit oder andere materielle Einschränkungen in Kauf nehmen zu müssen. Darüber hinaus können Mängel in der menschlich-sozialen Verfassung der Grund für Not und Leid sein. Psychische, rassistische, politische, rechtliche, familiäre oder Zugang zu Wissen und anderen sozialen Gestaltungsmöglichkeiten (Freiheit der Wahl der Lebensumstände) können Ursache für Verwerfung, Unfrieden und Not sein. Je nach Begabung, Empathie oder Betroffenheit wird die Unternehmerpersönlichkeit das Kreuz ihrer Mitgeschöpfe auf ihren Schultern spüren und erkennen, dass diese gebückte Haltung nicht dem Willen des Schöpfers entspricht, der die Menschen liebt und sie zum aufrechten Gang geschaffen hat. Ihre Position in der Welt ist also mit dem Haupt nach oben – zum Himmel gerichtet. Vom Haupt her empfängt die Unternehmer/in das richtige Bild von Mensch und Schöpfung und erkennt die Methode/das Prinzip, wie ihre Würde durch das aufeinander Beziehen und miteinander Koordinieren menschlicher Gaben im Zusammenwirken mit Materie, Tiere, Pflanzen und assoziativer Aktion aufgerichtet werden kann. Die Unternehmerpersönlichkeit schraubt bildlich gesprochen das Leuchtmittel in die Lampe und schaltet sie ein. Nun stehen die Menschen im Licht und können sehen, wie das Ganze bewirkt wurde. Sie können sich dann in diesem Licht auch selbst als Organe eines Leibes erkennen, in dem sie lebensspendende und würdegebende Funktionen einnehmen. Nun führt der Vorgang, den man vorher erlitten hat zu der Erkenntnis der unsichtbaren Hand, die alles so geschaffen hat, dass es miteinander in Resonanz geht, in der alle Teile so zusammenwirken, dass der Mangel in Genügsamkeit und Fülle übergeht.
Die Teile des Ganzen bepreisen sich nicht, um Gewinne zu erzielen und Sie handeln auch nicht für sich selbst. Sie benutzen auch nicht die Gemeinschaft, um sich zu bereichern, sondern sie bereichern das Ganze und insofern dient es auch ihnen selbst zum Besseren.
Etwas zusammen erkennen, abstimmen, planen, umsetzen und in die adäquate Form bringen, die Sache ins richtige Bild setzen in (die göttliche) Ordnung bringen, darum geht es. Der Begriff kommt von „sich begleiten, sich zusammentun, eine Brotgemeinschaft formen, sich gegenseitig füttern.“ Konnotation: Gemeinsam etwas Aufräumen. Sich begleiten auf einer Reise zu einem gemeinsamen Ziel. Eine Strecke miteinander zurücklegen. Unternehmen bezeichnen Menschen, die die Lebensgemeinschaft mit anderen suchen, weil sie ihre Wertschätzung, Anerkennung und ihren Schutz und Ermutigung für ein – über ihre Person selbst hinausweisendes soziales Projekt suchen. In der Anerkenntnis ihrer Assoziation, geben sie sich eine Verfassung, in der jede/r den Teil der Erträge erhält, den er/sie für Konsum und die Aufrechterhaltung eines würdevollen Lebens benötigt. Die Tatsache, dass er/sie ein Einkommen erhält stellt sie als Person nicht in ein hierarchisches Verhältnis. Sie erhalten bedarfsgerecht unterschiedliche Einkommen, sind jedoch als Personen innerhalb der Gemeinschaft gleichberechtigt. Unternehmen sind Orte (Produktionsstätten), an denen die Gemeinschaft mit den Brüdern/Schwester Früchte der Schöpfung erntet, das tägliche Brot empfängt, herstellt, teilt und isst. Sie ist ein lebendiges Wirken von Menschen im gemeinsamen Erleben der Schöpfung als Heilsgeschichte, gleichwertig und unterschiedlich/einzigartig in ihren Gaben.
Frank H. Wilhelmi, Frankfurt am Main, 15. Oktober 2019